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Oct 19 2022 08:12am
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Quote (Tsumo @ Oct 19 2022 04:11pm)
Strahlende Zukunft

Gott sei Dank kommt der Wind aus Südwest derzeit ^^


Ist kein AKW du unterbelichteter Sozialschmarotzer
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Quote (Epple @ 19 Oct 2022 16:12)
Ist kein AKW du unterbelichteter Sozialschmarotzer


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Quote (Tsumo @ 20 Oct 2022 15:28)
https://vid.pr0gramm.com/2022/10/20/7766a03b0434ffe0.mp4


Es kann doch nicht sein, dass dort drüben nur Hirnverbran....ouw warte....Deutschland sitzen ja auch nur solchen und meinen wir haben keine Energiekrise xDDDDD
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Oct 21 2022 01:10am
ich bei sekunde 23
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Quote (akphilo @ 21 Oct 2022 09:10)
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B.C.
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Oct 21 2022 01:50am
gude interview

https://www.welt.de/politik/ausland/plus241685925/Ivan-Krastev-Putins-Reden-sind-apokalyptisch-Damit-steigt-das-Risiko-radikaler-Loesungen.html

// text kommt gleich xd


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„Putins Reden sind apokalyptisch. Damit steigt das Risiko radikaler Lösungen“
Stand: 09:43 Uhr | Lesedauer: 7 Minuten


WELT:
Herr Krastev, Putin rechtfertigte die Annexion der Ostukraine mit der Verteidigung der eigenen Werte gegen den „Satanismus“. Glaubt er wirklich daran?

Ivan Krastev:
Mein Eindruck ist, dass Putin sehr wohl daran glaubt. Er denkt, dass Russen und Ukrainer ein Volk seien, dass die Menschen in der Ukraine seine Truppen als Befreier willkommen heißen würden und dass die „Spezialoperation“ zwei Wochen dauern würde.
Als seine Vorhersagen nicht eintrafen, gab Putin keineswegs zu, dass er sich geirrt hatte. Stattdessen verkündete er, er kämpfe nicht gegen Kiew, sondern gegen den Westen insgesamt. Und das ist ein ganz anderer Krieg.

WELT: Manche sagen, ein neuer Kalter Krieg.

Krastev:
Die Situation heute ist viel gefährlicher. Der Kalte Krieg war ein Streit zweier Optimismen: Sowohl die Kommunisten als auch der Westen waren überzeugt, dass ihnen die Zukunft gehöre.
Die sowjetischen Führer, von Lenin bis Gorbatschow, glaubten an die historische Notwendigkeit des Sieges des Kommunismus, dass ihr System trotz seiner Fehler und Verwerfungen überlegen sei.
Und wenn du glaubst, dass du am Ende der Gewinner bist, hast du kein Interesse daran, die Welt zu zerstören. Heute kann ich diesen Optimismus auf russischer Seite nicht erkennen. Im Gegenteil,
Putins Reden sind manchmal geradezu apokalyptisch. Und wenn man anfängt, in solchen Kategorien zu denken, steigt das Risiko, dass man zu radikalen Lösungen greift.

WELT:
Gibt es einen Ausweg?

Krastev:
Verhandlungen erfordern immer Kompromissbereitschaft: Ich gebe dir dies, du gibst mir das. Es ist nur nicht ganz klar, was Russland zurückgeben könnte. Putin hat in den besetzten Gebieten Referenden abgehalten, um klarzustellen, dass sie niemals zur Ukraine zurückkehren werden. Und dies ist nicht eine Botschaft an Kiew, sondern eine Botschaft an den gesamten Westen.

WELT:
Setzt Putin also auf den militärischen Sieg?

Krastev:
Die russische Strategie lautet: Wir werden so lange eskalieren, bis die europäische und amerikanische Öffentlichkeit begreift, dass dieser Krieg für uns wichtiger ist als für sie. Und sie werden die ersten sein, die blinzeln.

WELT:
Wer blinzelt also zuerst?

Krastev:
Das ist eine Frage der Durchhaltefähigkeit. Die russische Führung schaut nicht so sehr auf die Geschehnisse in der Ukraine, sondern vielmehr darauf,
wie sich die öffentliche Meinung in verschiedenen europäischen Ländern verändert, und schätzt die ökonomischen Kosten der westlichen Unterstützung ab.
Im Gegenzug sammeln unsere Entscheidungsträger Informationen darüber, wie viele Männer vor dem Militärdienst in Russland fliehen und welche Signale die Eliten und die Bürokratie aussenden.

WELT:
Wie geht Putins Rechnung?

Krastev:
Meiner Meinung nach rechnet Russland damit, in den nächsten sechs Monaten in einer stärkeren Position zu sein. Denn selbst wenn es noch einige Gebiete verliert, werden die Kämpfe im November eingefroren sein und der Winter kommt ins Spiel.
Die Frage lautet dann, wie die europäischen und amerikanischen Wähler darauf reagieren werden. Die Ukraine weiß, dass für die europäischen Gesellschaften dann andere Dinge wichtiger werden, also wird sie versuchen, die Situation zu radikalisieren,
damit sich der Westen nicht zurückziehen kann. Langfristig wird es darauf ankommen, wie lange es beiden Seiten gelingt, die öffentliche Unterstützung für den Krieg aufrechtzuerhalten. Es ist vielmehr ein Duell des Willens als ein Aufeinandertreffen zweier Armeen.
Und genau hier wird Polen sehr interessant.

WELT:
Polen?

Krastev:
Als der Krieg in Syrien ausbrach, nahmen die türkische Regierung und die Gesellschaft die Flüchtlinge mit offenen Armen auf, weil sie, ähnlich wie die Polen heute, glaubten, einen gemeinsamen Feind zu haben.
Doch sechs Jahre später, mit 3,5 Millionen Syrern im Land – einem Land, das übrigens viel größer ist als Polen – und einer schwierigen wirtschaftlichen Lage, wenden sich dieselben Menschen gegen die Neuankömmlinge.
Es bleibt abzuwarten, ob sich dies in Polen wiederholen wird, das bereits mit hohen Kosten der Hilfe für die Ukraine belastet ist.

WELT:
Unter welcher Voraussetzung könnte der Westen gewinnen?

Krastev: Wenn Europa aus dieser Wirtschaftskrise im März oder April ausreichend geeint und nicht zu sehr angeschlagen hervorgeht, wird sich die Dynamik der Situation dramatisch verändern. Denn mittel- bis langfristig ist Russland in einer schwächeren Position. Bisher ist die wirtschaftliche Lage Russlands nicht die schlechteste, denn im Gegensatz zum Westen hat sich Russland auf diesen Krieg vorbereitet: Es hat Finanzreserven angehäuft, es verfügt über Vorräte an Mikrochips, es profitiert vom Anstieg der Energiepreise, es hat genug Geld, um weitere sechs Monate durchzuhalten, ohne dass ernsthafte soziale Unruhen aufkommen. Länger aber nicht.

WELT: Warum kann Putin nicht länger durchhalten?

Krastev: Erstens ist die russische Industrie von westlicher Technologie abhängig. Zweitens begann Moskau diesen Krieg in dem Glauben, eine Großmacht zu sein. Inzwischen ist Russlands Status gesunken. Dies wurde bei einem Treffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit – einer Gruppe von Ländern, zu der neben den ehemaligen Sowjetrepubliken auch China und Indien gehören – deutlich, als selbst russlandfreundliche Länder das Land aufforderten, den Krieg zu beenden. Ein dritter wichtiger Faktor sind die Russen. Einer der Gründe, warum es in der Peripherie weit mehr Proteste gegen die Mobilisierung gibt als in der Hauptstadt, ist, dass in den ersten Monaten des Krieges weit mehr Dagestaner als Moskauer starben. Ich glaube nicht, dass Putin die Unterstützung für den Krieg aufrechterhalten kann, wenn immer mehr Jungs in Särgen zurückkehren.

WELT: Er müsste das erkennen. Warum macht er trotzdem weiter?

Krastev: Ich will nicht psychologisieren, denn das ist selten produktiv, aber ich hatte immer den Eindruck, dass es eine Sache gibt, über die sich Putin den Kopf zerbricht: Wie konnte die Atommacht UdSSR verlieren, wenn sie militärisch nicht besiegt wurde? Er befand, dass die Führer der späten Sowjetunion dumm waren – sie hatten einfach vergessen, die Welt daran zu erinnern, dass sie Atomwaffen hatten. Keiner hat damit gedroht. Für Putin wurde die Möglichkeit, die Welt zu zerstören, zur wichtigsten Quelle der Souveränität. Zum anderen die Demografie. Man unterschätzt wirklich, wie sehr demografische Ängste seine Vision von Russlands Zukunft prägen. Er kam immer wieder auf Mendelejews Vorhersage zurück, im Jahr 2000 würde es 500 Millionen Russen geben, tatsächlich sind es im Jahr 2022 nur noch 144 Millionen. Der Hauptgrund, warum er darauf bestand, dass die Ukrainer und Belorussen eigentlich Russen seien, war, dass es zu wenige Russen gab.

Schließlich der kulturelle Wandel. In der russischen Tradition ist der Herrscher der Vater seines Volkes – und Putin ist dieser Vater geworden in einer Zeit, in der die elterliche Autorität überall in der Krise steckt. Dies zeigt sich zum Beispiel bei der Mobilisierung. Junge Russen fliehen vor dem Kriegseinsatz und sind stolz darauf. Sie überqueren die Grenzen zu Georgien und Kasachstan, lächeln, winken für ein Foto und erklären unmissverständlich: Das ist nicht mein Krieg. Putin beginnt zu begreifen, dass er eine Nation von Zuschauern aufgebaut hat, von Fans, die applaudieren. Als er die Krim eroberte, war das so, als ob ihre Mannschaft unerwartet die Meisterschaft gewonnen hätte. Aber das Problem mit den Fans ist, dass sie nicht auf das Spielfeld gehen.

WELT:
Aber sollten die Fans einem Verein nicht die Treue halten, egal ob er gewinnt oder verliert?

Krastev:
Im Falle Russlands nicht unbedingt. Etwa ein Drittel der Russen glaubt, dass dies ihr Krieg ist. Das Problem ist, dass es sich bei diesem Drittel hauptsächlich um Rentner handelt, die nicht eingezogen werden können.
Weitere 20 Prozent sind im Grunde auch für einen russischen Sieg – nach dem Motto „besser wir als sie“ –, aber sie unterstützen keinen Krieg, sondern eine Spezialoperation. Schließlich sind rund 20 Prozent der Russen gegen diesen Krieg.
Viele sagen: Schließt die Grenzen für die Russen, lasst sie gegen Putin kämpfen, anstatt zu uns zu kommen. Allerdings wurde das gleiche Argument 1933 gegenüber den deutschen Juden gebracht.
Ganz zu schweigen davon, dass dies ein Geschenk an Putin wäre, schließlich kann man keine effektive Mobilisierung durchführen, wenn sich die Wehrpflichtigen durch Flucht entziehen können.


This post was edited by 0x00 on Oct 21 2022 01:53am
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Oct 23 2022 12:30am
Quote (0x00 @ 21 Oct 2022 09:50)
gude interview

https://www.welt.de/politik/ausland/plus241685925/Ivan-Krastev-Putins-Reden-sind-apokalyptisch-Damit-steigt-das-Risiko-radikaler-Loesungen.html

// text kommt gleich xd


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„Putins Reden sind apokalyptisch. Damit steigt das Risiko radikaler Lösungen“
Stand: 09:43 Uhr | Lesedauer: 7 Minuten


WELT:
Herr Krastev, Putin rechtfertigte die Annexion der Ostukraine mit der Verteidigung der eigenen Werte gegen den „Satanismus“. Glaubt er wirklich daran?

Ivan Krastev:
Mein Eindruck ist, dass Putin sehr wohl daran glaubt. Er denkt, dass Russen und Ukrainer ein Volk seien, dass die Menschen in der Ukraine seine Truppen als Befreier willkommen heißen würden und dass die „Spezialoperation“ zwei Wochen dauern würde.
Als seine Vorhersagen nicht eintrafen, gab Putin keineswegs zu, dass er sich geirrt hatte. Stattdessen verkündete er, er kämpfe nicht gegen Kiew, sondern gegen den Westen insgesamt. Und das ist ein ganz anderer Krieg.

WELT: Manche sagen, ein neuer Kalter Krieg.

Krastev:
Die Situation heute ist viel gefährlicher. Der Kalte Krieg war ein Streit zweier Optimismen: Sowohl die Kommunisten als auch der Westen waren überzeugt, dass ihnen die Zukunft gehöre.
Die sowjetischen Führer, von Lenin bis Gorbatschow, glaubten an die historische Notwendigkeit des Sieges des Kommunismus, dass ihr System trotz seiner Fehler und Verwerfungen überlegen sei.
Und wenn du glaubst, dass du am Ende der Gewinner bist, hast du kein Interesse daran, die Welt zu zerstören. Heute kann ich diesen Optimismus auf russischer Seite nicht erkennen. Im Gegenteil,
Putins Reden sind manchmal geradezu apokalyptisch. Und wenn man anfängt, in solchen Kategorien zu denken, steigt das Risiko, dass man zu radikalen Lösungen greift.

WELT:
Gibt es einen Ausweg?

Krastev:
Verhandlungen erfordern immer Kompromissbereitschaft: Ich gebe dir dies, du gibst mir das. Es ist nur nicht ganz klar, was Russland zurückgeben könnte. Putin hat in den besetzten Gebieten Referenden abgehalten, um klarzustellen, dass sie niemals zur Ukraine zurückkehren werden. Und dies ist nicht eine Botschaft an Kiew, sondern eine Botschaft an den gesamten Westen.

WELT:
Setzt Putin also auf den militärischen Sieg?

Krastev:
Die russische Strategie lautet: Wir werden so lange eskalieren, bis die europäische und amerikanische Öffentlichkeit begreift, dass dieser Krieg für uns wichtiger ist als für sie. Und sie werden die ersten sein, die blinzeln.

WELT:
Wer blinzelt also zuerst?

Krastev:
Das ist eine Frage der Durchhaltefähigkeit. Die russische Führung schaut nicht so sehr auf die Geschehnisse in der Ukraine, sondern vielmehr darauf,
wie sich die öffentliche Meinung in verschiedenen europäischen Ländern verändert, und schätzt die ökonomischen Kosten der westlichen Unterstützung ab.
Im Gegenzug sammeln unsere Entscheidungsträger Informationen darüber, wie viele Männer vor dem Militärdienst in Russland fliehen und welche Signale die Eliten und die Bürokratie aussenden.

WELT:
Wie geht Putins Rechnung?

Krastev:
Meiner Meinung nach rechnet Russland damit, in den nächsten sechs Monaten in einer stärkeren Position zu sein. Denn selbst wenn es noch einige Gebiete verliert, werden die Kämpfe im November eingefroren sein und der Winter kommt ins Spiel.
Die Frage lautet dann, wie die europäischen und amerikanischen Wähler darauf reagieren werden. Die Ukraine weiß, dass für die europäischen Gesellschaften dann andere Dinge wichtiger werden, also wird sie versuchen, die Situation zu radikalisieren,
damit sich der Westen nicht zurückziehen kann. Langfristig wird es darauf ankommen, wie lange es beiden Seiten gelingt, die öffentliche Unterstützung für den Krieg aufrechtzuerhalten. Es ist vielmehr ein Duell des Willens als ein Aufeinandertreffen zweier Armeen.
Und genau hier wird Polen sehr interessant.

WELT:
Polen?

Krastev:
Als der Krieg in Syrien ausbrach, nahmen die türkische Regierung und die Gesellschaft die Flüchtlinge mit offenen Armen auf, weil sie, ähnlich wie die Polen heute, glaubten, einen gemeinsamen Feind zu haben.
Doch sechs Jahre später, mit 3,5 Millionen Syrern im Land – einem Land, das übrigens viel größer ist als Polen – und einer schwierigen wirtschaftlichen Lage, wenden sich dieselben Menschen gegen die Neuankömmlinge.
Es bleibt abzuwarten, ob sich dies in Polen wiederholen wird, das bereits mit hohen Kosten der Hilfe für die Ukraine belastet ist.

WELT:
Unter welcher Voraussetzung könnte der Westen gewinnen?

Krastev: Wenn Europa aus dieser Wirtschaftskrise im März oder April ausreichend geeint und nicht zu sehr angeschlagen hervorgeht, wird sich die Dynamik der Situation dramatisch verändern. Denn mittel- bis langfristig ist Russland in einer schwächeren Position. Bisher ist die wirtschaftliche Lage Russlands nicht die schlechteste, denn im Gegensatz zum Westen hat sich Russland auf diesen Krieg vorbereitet: Es hat Finanzreserven angehäuft, es verfügt über Vorräte an Mikrochips, es profitiert vom Anstieg der Energiepreise, es hat genug Geld, um weitere sechs Monate durchzuhalten, ohne dass ernsthafte soziale Unruhen aufkommen. Länger aber nicht.

WELT: Warum kann Putin nicht länger durchhalten?

Krastev: Erstens ist die russische Industrie von westlicher Technologie abhängig. Zweitens begann Moskau diesen Krieg in dem Glauben, eine Großmacht zu sein. Inzwischen ist Russlands Status gesunken. Dies wurde bei einem Treffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit – einer Gruppe von Ländern, zu der neben den ehemaligen Sowjetrepubliken auch China und Indien gehören – deutlich, als selbst russlandfreundliche Länder das Land aufforderten, den Krieg zu beenden. Ein dritter wichtiger Faktor sind die Russen. Einer der Gründe, warum es in der Peripherie weit mehr Proteste gegen die Mobilisierung gibt als in der Hauptstadt, ist, dass in den ersten Monaten des Krieges weit mehr Dagestaner als Moskauer starben. Ich glaube nicht, dass Putin die Unterstützung für den Krieg aufrechterhalten kann, wenn immer mehr Jungs in Särgen zurückkehren.

WELT: Er müsste das erkennen. Warum macht er trotzdem weiter?

Krastev: Ich will nicht psychologisieren, denn das ist selten produktiv, aber ich hatte immer den Eindruck, dass es eine Sache gibt, über die sich Putin den Kopf zerbricht: Wie konnte die Atommacht UdSSR verlieren, wenn sie militärisch nicht besiegt wurde? Er befand, dass die Führer der späten Sowjetunion dumm waren – sie hatten einfach vergessen, die Welt daran zu erinnern, dass sie Atomwaffen hatten. Keiner hat damit gedroht. Für Putin wurde die Möglichkeit, die Welt zu zerstören, zur wichtigsten Quelle der Souveränität. Zum anderen die Demografie. Man unterschätzt wirklich, wie sehr demografische Ängste seine Vision von Russlands Zukunft prägen. Er kam immer wieder auf Mendelejews Vorhersage zurück, im Jahr 2000 würde es 500 Millionen Russen geben, tatsächlich sind es im Jahr 2022 nur noch 144 Millionen. Der Hauptgrund, warum er darauf bestand, dass die Ukrainer und Belorussen eigentlich Russen seien, war, dass es zu wenige Russen gab.

Schließlich der kulturelle Wandel. In der russischen Tradition ist der Herrscher der Vater seines Volkes – und Putin ist dieser Vater geworden in einer Zeit, in der die elterliche Autorität überall in der Krise steckt. Dies zeigt sich zum Beispiel bei der Mobilisierung. Junge Russen fliehen vor dem Kriegseinsatz und sind stolz darauf. Sie überqueren die Grenzen zu Georgien und Kasachstan, lächeln, winken für ein Foto und erklären unmissverständlich: Das ist nicht mein Krieg. Putin beginnt zu begreifen, dass er eine Nation von Zuschauern aufgebaut hat, von Fans, die applaudieren. Als er die Krim eroberte, war das so, als ob ihre Mannschaft unerwartet die Meisterschaft gewonnen hätte. Aber das Problem mit den Fans ist, dass sie nicht auf das Spielfeld gehen.

WELT:
Aber sollten die Fans einem Verein nicht die Treue halten, egal ob er gewinnt oder verliert?

Krastev:
Im Falle Russlands nicht unbedingt. Etwa ein Drittel der Russen glaubt, dass dies ihr Krieg ist. Das Problem ist, dass es sich bei diesem Drittel hauptsächlich um Rentner handelt, die nicht eingezogen werden können.
Weitere 20 Prozent sind im Grunde auch für einen russischen Sieg – nach dem Motto „besser wir als sie“ –, aber sie unterstützen keinen Krieg, sondern eine Spezialoperation. Schließlich sind rund 20 Prozent der Russen gegen diesen Krieg.
Viele sagen: Schließt die Grenzen für die Russen, lasst sie gegen Putin kämpfen, anstatt zu uns zu kommen. Allerdings wurde das gleiche Argument 1933 gegenüber den deutschen Juden gebracht.
Ganz zu schweigen davon, dass dies ein Geschenk an Putin wäre, schließlich kann man keine effektive Mobilisierung durchführen, wenn sich die Wehrpflichtigen durch Flucht entziehen können.


Danke für das Interview!
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