Auch war ich 5 Kilo leichter geworden, allein durch dieses Wochenende.
Ich dachte in Crystal die ultimative, perfekte Droge gefunden zu haben.
Für meine Freunde und mich war es von diesem Zeitpunkt an klar, gefeiert wird mit Crystal, alles andere wurde bedeutungslos.
Und bei mir zu Hause in der Schreibtischschublade lagen 50g davon.
Am Montag zog ich die nächste Line, nur um in die Schule gehen zu können. Ich hatte keine Sekunde geschlafen.
Das Drama nahm seinen Lauf, ich zog eine Woche durch, bis Mittwoch schaffte ich es noch mich in die Schule zu schleppen, Donnerstag und Freitag verbrachte ich in meinem Zimmer, in einer Art Delir, ich tat nichts anderes als hin und wieder eine Line zu ziehen und textete nebenbei meine ganze ICQ-Kontaktliste sowie diverse Drogenforen zu. (die Resonanz war jedoch verhalten, meine Gelaber war schon sehr verspuhlt und machte kaum noch Sinn)
Am Freitag war ich am Ende, ich hatte eine Woche nichts gegessen oder geschlafen, die Grenzen zwischen Realität und Wahn waren nicht mehr zu unterscheiden. Alles glich einem surrealen Alptraum. Die Wände wechselten die Farbe, blinkten und morphten vor sich hin. Alles war in Bewegung. Ich schob einen enormen Laberflash, war aber allein, also dachte ich mir eben kurzerhand imaginäre Personen aus mit denen ich mich glänzend unterhielt.
Mein Zustand lässt sich gut in einem Wort beschreiben - psychotisch.
Es endete damit, dass ich auf dem Gang auf dem Weg zur Toilette (ich wollte mir mal wieder Wasser holen) zusammengebrochen bin, auf einmal wurde alles schwarz, es machte "klick" und das Licht ging aus. Mein Kreislauf hatte schlussendlich kapituliert.
Meine Mutter fand mich schließlich, schaffte es aber nicht mich zu wecken. Sie unternahm aber nichts weiter, warum weiß ich bis heute nicht, womöglich dachte sie ich will sie verarschen, vielleicht war es ihr auch nur egal ob ich auf dem Boden schlafe oder sonstwo.
Auch wenn es mir schwer fällt zu glauben, dass man mir meinem Drogenkonsum hier nicht schon lange angesehen hat.
Jedenfalls bin ich Dienstag wieder aufgewacht, fühlte mich wie gerädert, total im Arsch. Die psychotischen Zustände waren aber zum Glück verschwunden, keine Selbstgespräche mehr, keine Halluzinationen. Meine Batterien waren auf 0%, ich war komplett leer.
Nun mir fiel sofort eine Lösung ein um wieder klarzukommen.
Eine Line...nur eine winzige um wach zu werden...Eine kann ja nicht schaden... So dachte ich damals, und konsumierte direkt weiter.
Natürlich blieb es nie bei der einen kleinen Bahn.
Mittlerweile waren die Sommerferien angebrochen.
Ich war zu diesem Zeitpunkt, nach einer Woche durchgehendem Konsum, de facto Crystal süchtig.
Von den 50g waren nur noch 45g übrig, ich hatte in kurzer Zeit eine riesige Toleranz aufgebaut.
Diese Toleranz habe ich bis heute.
Der Lebensabschnitt der nun folgt, war eine sehr schöne Erfahrung.
Meine damalige Freundin und ich hatten den Rhythmus 2-3 Tage wach (druff), dann einen Tag durchschlafen, nach dem Aufstehen dann immer erstma ne dicke Line gezogen, als wäre der Vorrat unendlich.
Wir zogen das Crystal weg wie Pep, 10cm Lines alle Stunde.
Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich der sein, der ich wollte, ich erledigte bestimmte Sachen, die ich schon Monate oder auch Jahre vor mir herschob.
Alles ging mir spielend leicht von der Hand, ich konnte auf einmal alles.
Meine natürlichen Schwächen, die sozialen Defizite - alles war wie weggeblasen.
Dazu ein riesiges Ego, keiner konnte einem was, denn man war ja auf Crystal und die anderen nicht. Dieses Gefühl ist schwer zu beschreiben, vielleicht wie Gott auf Koks?
Auch Sex auf Crystal ist eine andere Liga, stundenlang, hemmungslos und wie in Ekstase, einfach unglaublich geil, eine Erfahrung, die man gemacht haben muss.
Das Ganze ging nur etwa zwei Wochen gut, schließlich wurden wir immer verpeilter, auch bekam alles einem unangenehmen Beigeschmack - die Paranoia, mein alter Bekannter, machte sich wieder zusehends bemerkbar.
Diesmal auch mit Berechtigung, ich hatte immer grammweise Crystal stecken, wenn ich irgendwo hinging, meine Freundin und ich waren ja immer auf C, egal wo wie und wann, und der Konsum stieg schnell auf ~2g pro Tag.
Unauffällig waren wir auch nicht, gekleidet in weite schwarze Raverhosen und stets mit Sonnenbrille um die Tellerminen zu überdecken. Wenn wir unterwegs waren, sind wir nirgendswo hin gegangen, denn gehen im eigentlichen Sinn ist nicht möglich auf Crystal, wir waren immer hart an der Grenze zum Rennen.
Ich glaube, jeder mit ein bisschen Verstand hat uns die
Druffheit auf 100m angesehen, so offensichtlich auf Drogen waren wir unterwegs.
Es Grenzt an ein Wunder, dass ich in der ganzen Zeit nie ernste Probleme mit den Männlein in Grün hatte. Den einzigen Zwischenfall löste ich, in dem ich vor den Augen der Streife mein Tütchen mit ~ 1g Crystal verschlang. Die beiden Beamten veranstalteten zwar ein riesen Tara, ich bekam später einen Brief von der Führerscheinstelle , der mir charakterliche Uneignung für das Führen von Fahrzeugen unterstellte, ungeachtet dessen, dass ich weder einen Führerschein besaß, noch irgendwo am Straßenverkehr teilgenommen hatte. Wie auch immer.
Die Zeit verging, die 50g gingen schnell zur Neige, an einem Tag verkonsumierten wir zu zweit 5g, und bei dem Gedanken ohne Crystal auskommen zu müssen, gab es nur eins - Panik.
Ich schaffte es meinem Bekannten weitere 60g abzukaufen, diesmal war der Kurs aber nicht ganz so billig, denn auch er hatte von der Hochwertigkeit seiner Ware Kenntnis genommen.
Wir kratzen also alles an Barem zusammen, ich plünderte mein Sparbuch, das Geld war ursprünglich für ein Auto gedacht, aber das war mir schon total egal.
Also ging es weiter, ich wurde immer verstrahlter, immer mehr verscheppert, immer verspulter. Mein Körper hielt sich bei der ganzen Sache ziemlich gut, ich hatte zwar seit Beginn der Ferien um die 15kg abgenommen, aber das war auch gut so. Ich wog immer noch satte 70g KG.
Nach und nach machten sich rote Flecken im Gesicht bemerkbar. Es waren keine Pickel, die Haut verschwand an einigen Stellen quasi von alleine, zurück blieb nur ein roter hautfreier Fleck, bald war auch mein ganzer Rücken voll davon. Meine Hände waren sehr dünn und sehnig, ich sah nun voll und ganz nach Drogen aus, ein Chemieopfer wie aus dem Bilderbuch.
Hinzu kamen die psychischen Probleme, nach 3 oder 4 Tagen ohne Schlaf begann mein Körper immer zu halluzinieren, es gipfelte darin, dass ich mir mit einem 14cm langen Jagdmesser den ganzen Rücken sowie bestimmte Flecken im Gesicht aufgeschnitten habe, weil ich ernsthaft dachte, es seien Würmer unter meiner Haut. (das mag alles sehr phantastisch klingen, entspricht aber zu 100% der Wahrheit, die Narben am Rücken hab ich noch immer.)
Schließlich waren die Ferien zu Ende, ich war 18 Jahre alt und der kaputteste Mensch weit und breit. Selbst manche Druffifreunde wandten sich von mir ab, weil ich einfach zu extrem verschossen war.
Über meine Freundin hab ich mir dann Benzos besorgt, zwei Schachteln Rivotril 20 Tabletten á 2mg (Clonazepam) um so eine Art Entzug zu machen, denn zu diesem Zeitpunkt war selbst mir klar, dass ich nicht mehr lange leben würde, falls ich nichts ändere.
Ich schlief mit Hilfe der Benzos im Grunde zwei Wochen durch, in der Zeit ging ein neues Schuljahr los, die 13. und letzte Klasse vor dem Abitur.
Nach den zwei Wochen war mein Körper weitgehend restauriert, aber meine Psyche war ein einziger Abgrund.
Mein Kurzzeitgedächtnis - nicht mehr vorhanden. Ich war extrem paranoid, schizoid, sehr depressiv, aggressiv dazu ein merklicher kognitiver Verfall - kurz: es ging mir echt dreckig.
Dazu kam eine Antriebslosigkeit und permanente Müdigkeit.
Ein Suizidversuch mit Phenobarbital und Morphium scheitert, der Notarzt kam und ich wurde künstlich beatmet.
Zuerst hasste ich den Arzt dafür, heute sehe ich das anders.
Zu all dem kommt eine Amphetaminpsychose, die aber nur deutlich zum Vorschein kommt, wenn ich länger als 3 Tage nicht schlafe.
Dann höre ich Stimmen, sehe ganz deutlich und klar Menschen vor mir, die nicht existieren, richtig psychotisch eben.
Nachts wache ich oft grundlos auf, im Kopf ein schrilles ohrenbetäubendes Kreischen (eine Art Tinitus?), dazu Panik und Krämpfe – ich vermute sowas wird allgemein als Panikattacke bezeichnet.
Unter der Woche äußert sich die Psychose so, dass meine Psyche belanglose Geräusche zu irgendwelchen Worten „umbaut“. Zum Beispiel gehe ich eine Straße entlang, neben mir geht jemand vorbei, ich höre irgendein Geräusch, ganz egal was, dann kommt auf einmal der Gedanke: „Hat der grad was zu mir gesagt?“ – und je mehr ich darüber nachdenke, desto sicherer ist sich mein Gehirn, dass die Person mir soeben irgendwas zugeflüstert hat, zB „du Drogie“ oder „du Arschloch“, meistens eher negative Dinge.
Dabei bin ich mir die ganze Zeit bewusst, dass es sehr wahrscheinlich nur eine akustische Halluzination ist, kann aber nie mit Sicherheit ausschließen, dass es nicht doch alles ganz real war. Optische Halluzinationen bleiben zum Glück die Ausnahme.
Solche Situationen können einen im Umgang mit anderen Menschen sehr verunsichern, wenn man nie genau weiß, ob das, was der andere gerade gesagt hat, auch wirklich real war.
Ich hatte also meine Lehren gezogen und am eigenen Leib schmerzlich erfahren, was Crystal anrichten kann, aber weggekommen davon bin ich bis heute nicht.
Seitdem die Schule wieder angefangen hat, sieht mein Konsummuster so aus, dass ich nur am Wochenende druff bin. Ich verbrauche immer 2-3g am WE, was sehr viel ist.
Denn die Toleranz hält sich hartnäckig.
Seit über einem Jahr hatte meine Gehirnchemie keine Chance sich halbwegs zu erholen, wenn ich daran denke, könnt ich heulen - aber: Weinen oder Lachen - wie ging das nochmal?
Ich hatte jegliche Emotionen verloren, auch meine Persönlichkeit hatte sich in den Sommerferien spürbar verändert.
Ich wurde kaltherzig, egoistisch und egozentrisch.
Mir war - salopp gesagt - alles scheissegal, solang ich nur am nächsten Wochenende wieder auf meinem geliebten Kristall sein würde.
Das geht jetzt ca 5 Wochen so, ich hab es noch an keinem Wochenende geschafft nicht mindestens zwei Tage druff zu sein.
Ich sehe für mich keine Zukunft, die kognitiven Defizite sind irreparabel und zu groß, ich vergesse permanent Wörter während ich spreche, was für Außenstehende sehr befremdend anmuten muss, wenn ich mitten im Satz abbreche und dann nur noch "ähm" und "öhm" oder "wie war dieses eine Wort nochmal?" herausbekomme.
In der Schule fall ich nur noch dadurch auf, dass ich immer so kaputt aussehe, irgendwie ist auch durchgesickert, dass ich ein Problem mit chemischen Drogen habe.
Viele schauen mich mit großen Augen an als wäre ich ein Alien vom Mars, wenn ich mich mal in der Schule blicken lasse, was aber zugegeben nicht allzu oft der Fall ist. Es ist keine Energie mehr da, irgendwas zu tun. Kein Antrieb, nur Depression und Lethargie.
Eine weitere Sache, die ich dem Kristall zu verdanken habe, ist ein Tremor in Waden- und Oberarmmuskulatur. Das soll heißen, wenn ich nicht auf C bin und meine Muskeln nicht angespannt sind, zittern sie ganz von alleine. Das stört eigentlich kaum, nur
macht es einen komischen Eindruck zB wenn ich in der Schule sitze und meine Beine zittern wie verrückt.
Ich weiß genau, eigentlich muss ich sofort mit dem Ziehen aufhören und mich in psychiatrische Behandlung geben, ich sehe wie ich mit jeder Woche innerlich kaputter werde. Aber die Wochenenden sind das einzige, was meinem Leben im Moment Sinn geben.
Der Kristall hält mich noch immer fest im Griff, kein Entkommen für mich, er ist schon lange stärker als mein Wille.
Meine Eltern haben mich aufgegeben, reden kaum noch mit mir.
Vor Neuroleptika habe ich Angst, ich hab mir nur einmal von einem Bekannten zwei Haldol Tabletten (Haloperidol) geben lassen, um zu testen, wie es sich auf Neuroleptika anfühlt. Die Erfahrung war erschreckend, es ist vergleichbar mit einem mentalen Käfig, eine Bremse im Kopf, man fühlt sich eingeengt und ruhiggestellt.
So wollte ich unter keinen Umständen mein Leben verbringen.
Meine letzte Chance sehe ich darin, irgendwie ein halbwegs gutes Abi zu schreiben. Ein Arzt hat mir vorgeschlagen eine Entgiftung zu machen, das würde ca. einen Monat dauern.
Der Haken an der Sachen, in diesem Monat kann ich nicht in die Schule gehen, und die Vorstellung in meinem Zustand einen Monat Schulstoff kurz vor dem Abi nachzuholen, kann ich getrost als utopisch bezeichnen.
Also wäre dies das aus für mein Abi, denn die 13. Klasse wiederholen kann ich nicht.
Egal wie ich mich letztenendes entscheide, es ist so oder so zum Kotzen, entweder Abi in die Tonne kloppen (und damit meine Zukunft) oder meine Psyche noch weiter malträtieren.
Am besten wäre es einfach sofort mit dem Crystal aufzuhören, aber egal wie sehr ich mich anstrenge, egal wie sehr ich es mir vornehme, ich versage jedes mal aufs Neue.
Die Gier ist stärker…
So jetzt fällt mir nichts mehr ein was ich noch schreiben könnte, war auch mehr als genug denk ich.
Wer jetzt noch einen finalen Satz wie „Drogen sind böse“ erwartet, den muss ich enttäuschen.
Drogen sind sicher gefährlich, haben aber auch viel Potential.
Es ist immer eine riskante Gratwanderung (bei der ich grandios scheiterte).